Bovine spongiforme Enzephalopathie
Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE), zu deutsch etwa „die schwammartige Gehirnkrankheit der Rinder“ oder umgangssprachlich auch Rinderwahn genannt, ist eine Tierseuche. Die tödliche Erkrankung des Gehirns vor allem bei Hausrindern wird vermutlich durch Prionen (atypische Eiweißkörper) verursacht, was jedoch bislang nicht sicher bewiesen werden konnte und wogegen sich 2007 auch erneute Zweifel ergaben [1][2].
Charakteristisch für die Erkrankung ist, dass die abnorm gefalteten Prionproteine vor allem im Gehirn den dort normalerweise vorhandenen Prionen mit gesunder Struktur ihre veränderte Struktur aufzwingen und so dort einen verhängnisvollen biochemischen Prozess auslösen, der letztlich zu einer Degeneration des Gehirns führt. Bei fortschreitender Erkrankung nimmt das befallene Gehirn eine schwammartig durchlöcherte Struktur mit fadenförmigen, proteinhaltigen Ablagerungen an.
Die Ursache für die Entstehung der Prionen ist umstritten, wobei mehrere Theorien existieren. BSE gehört zur Gruppe der Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien (TSE). Es wird heute vermutet, dass die neue Variante der tödlich verlaufenden Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (heute als nvCJD bekannt) beim Menschen durch den Verzehr von BSE-verseuchtem Rindfleisch hervorgerufen wird.
Eine weitere Vermutung ist, dass diese Krankheit bereits im 19. Jahrhundert bekannt war, aber dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschwunden ist. Hierauf deuten verschiedene Bücher über Rinderkrankheiten aus dem Ende des 19. Jahrhunderts hin und Berichte aus dem Beginn des 20. Jahrhundert.
Aufgrund epidemiologischer Studien wird mehrheitlich als Ursache der Verzehr infektiösen Futters angenommen, wenngleich auch Tiere erkrankt sind, die nachweislich nie mit diesem in Berührung gekommen sind, wie etwa Bioland-Rinder in Freilandhaltung. In England wurden seit den 1970er Jahren Schlachtabfälle unzureichend erhitzt (zusätzlich bei zu geringem Überdruck), so dass lange vermutet wurde, dass der Scrapie-Erreger nicht zerstört wurde. Die Schlachtabfälle enthielten viel Material von Schafen, da die Schafpopulation in England groß ist. Das Tiermehl aus diesen Tierkörperverwertungsanlagen wurde unter anderem auch an Rinder verfüttert (siehe auch Futtermittel). Damit hätten die Tiere mit dem Scrapie-Erreger in Kontakt kommen können und laut einer Theorie könnte dadurch das spezifische Prion (PRP Sc [Sc von scrapie]) entstanden sein. Diese Theorie ist jedoch nach wie vor unbelegt und umstritten. Ein direkter Zusammenhang zwischen BSE und Scrapie wurde nie nachgewiesen und gilt unter Wissenschaftlern als fragwürdig.
Rund 5-10 Prozent der Kälber von BSE-kranken Kühen entwickeln BSE; eine maternale (von der Mutter auf das Kalb) Übertragung ist aber derzeit (Stand 2004) nicht gesichert. Es besteht weiter der Verdacht, dass die Übertragung durch die anstelle der Kuhmilch verfütterte Kälberersatznahrung erfolgte. Zumindest in Deutschland sind heute tierische Fette im Rinderfutter gänzlich verboten. Es wird aber auch vermutet, dass ähnlich wie bei der Scrapie beim Schaf die Übertragung der Krankheit von der Kuh auf das Kalb durch Blut oder Fruchtwasser bei der Geburt möglich ist.
Rinder erkranken in der Regel im Alter von vier bis fünf Jahren an BSE und sterben dann innerhalb weniger Monate. Die Inkubationszeit (d. h. die Zeit ab Befall durch Erreger bis zur sichtbaren Krankheitsentfaltung) beträgt aber mehrere Jahre.
Neuere Forschungen zeigen, dass BSE-verwandte Krankheiten bei Schafen, Elchen und Hirschen auch über den Urin verbreitet werden: Schafe und wildlebende Tiere kommen schließlich niemals mit Tiermehl in Kontakt.
Krankheitsverlauf/Symptome [Bearbeiten]
Bei der Krankheit wird das Gehirn schwammartig durchlöchert und damit in seinen Funktionen gestört. In diesem schwammartig durchlöcherten Gewebe lassen sich dann (am toten Rind) die oben genannten Prionen nachweisen.
Die betroffenen Tiere zeigen Verhaltensänderungen und Bewegungsstörungen. Die Rinder beginnen zu straucheln, stolpern über die eigenen Beine und reagieren schreckhaft auf Lärm und Lichtreize. Muskelzittern, Zungenspiel und gelegentlich lebhaftes Ohrenspiel und Juckreiz werden beobachtet.
Die Diagnose erfolgt durch eine genaue Untersuchung eines spezifischen Gehirnabschnitts (Obex-Region) eines toten Tiers.
Die Methoden lassen sich gliedern in:
Beim Schnelltest werden Gewebeproben aus der Obexregion des Gehirn entnommen und in 2 Fraktionen geteilt. Zu einer gibt man das Enzym Proteinase K zu, welches das gesunde PrPc abbaut, das veränderte PrPsc allerdings nicht. Die zweite Fraktion bleibt unbehandelt. Nun werden beide Proben mittels Western Blot analysiert. Ist das Tier gesund, erscheint auf dem Blot keine Bande, da das gesunde Protein abgebaut wurde. Ist das Tier aber krank, enthält also das veränderte Protein PrPsc, kann man in der Protease+ und in der Protease- Probe jeweils eine Bande erkennen, die jeweils PrPsc darstellen.
Sowohl die Prionen als auch die Vakuolen sind erst im Spätstadium der Erkrankung nachzuweisen, sodass die Europäische Union beschlossen hat, Rinder erst ab 24-30 Monate (je nach Untersuchungskategorie) untersuchen zu lassen.
Ein Nachweis von Prionen am lebenden Tier war lange Zeit nicht möglich. Am 11. Juli 2005 wurde von Brenig et al. an der Universität Göttingen mit einer erfolgreichen, großen klinischen Studie ein Test vorgestellt, der erstmals auch an lebenden Tieren zuverlässig angewandt werden kann. Möglicherweise könnte dieses neue Verfahren schon 2006 in Deutschland zugelassen werden.
Im August 2005 gaben der Neurologe Claudio Soto und seine Kollegen von der University of Texas (USA) bekannt, dass nunmehr die Rinderseuche BSE und die neue Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit mit einem Bluttest zu diagnostizieren sind. Die Eigenschaft der abnorm veränderten infektiösen Prionen ihre Struktur anderen gesunden Prionen aufzuzwingen, nutzten die Forscher aus, um die im Blut von Erkrankten nur in verschwindend geringer Zahl vorhandenen infektiösen Prionen um den Faktor zehn Millionen zu vermehren und damit leicht nachweisbar zu machen. In Versuchsreihen mit Hamstern ließen sich so die infektiösen Prionen mit einer Zuverlässigkeit von 89 Prozent und ohne Fehlalarm nachweisen. An der Anwendbarkeit auch für die Diagnose beim Menschen und einer Kontrolle von Blutspenden wird gearbeitet.
Nach Angaben der Vereinten Nationen nahm die Anzahl der BSE-Fälle seit 2003 stetig ab. Während es 2003 weltweit noch 1646 Fälle gegeben habe, wurden 2004 noch 878 und 2005 nur noch 474 Krankheitsfälle festgestellt.
Nach der Entwicklung der Schnelltests 2000 setzte die Phase der aktiven Überwachung in der Europäischen Union (EU) ein und in vielen Mitgliedsstaaten wurden erst dann BSE-Fälle offiziell bestätigt. Die vorherige passive Überwachung beruht allein auf der Meldepflicht der Menschen, die mit Rindern Umgang haben und erwies sich als unzureichend. 2006 wurden in der EU 320 BSE-Fälle registriert, 2007 nur noch 175.[3]
Bereits Anfang der 90er Jahren wurden im Landkreis Segeberg erste Verdachtsfälle auf BSE registriert. Diese bis 1994 auf 24 angewachsenen Fälle wurden jedoch nicht weiter eingehend untersucht und die Tierkörper zur Weiterverarbeitung freigegeben. Als 1994 die damalige dort amtierende Fleischhygiene-Tierärztin Margrit Herbst mit diesen Fällen an die Öffentlichkeit trat, wurde ihr durch ihren Arbeitgeber fristlos gekündigt und sie wurde zunächst erfolgreich verklagt, die betreffenden Tatsachen nicht weiter verbreiten zu dürfen (auf dem Instanzenweg sehr viel später in vollem Umfang aufgehoben). Für ihre Zivilcourage wurde sie unter anderem 2001 mit dem Whistleblower-Preis ausgezeichnet.
Die Feststellung des ersten amtlich bestätigten Falles von BSE für Deutschland datiert vom 26. November 2000. Bis Februar 2005 wurden allein in Deutschland über 360 Fälle offiziell nachgewiesen, davon 65 im Jahr 2004 und 54 2003. Im Jahr 2006 wurden insgesamt 16 BSE-Fälle bestätigt.
Eine hohe Dunkelziffer wird angenommen, da die meisten Tiere geschlachtet werden, bevor der Erreger mit herkömmlichen Verfahren nachweisbar wird. 2006 wurden bei 1,7 Millionen untersuchten Tieren 16 nachgewiesene BSE-Fälle registriert. 2007 sank die registrierte Zahl positiv getesteter Tiere auf 4, so dass die Häufigkeit erkannter Vorkommen nunmehr bei 0,024 % liegt.[3] 2008 wurden nur noch 2 Rinder in Deutschland positiv getestet - beide vor 2001 geboren. [4]
Im November 2004 wurde in Frankreich bei einer Ziege der Verdacht auf eine Infektion mit einer TSE festgestellt, die mit Hilfe von Tests nicht eindeutig von der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie (BSE) zu unterscheiden war.
Frankreich erließ am 30. Mai 1990 ein vollständiges Importverbot , nachdem bereits in 17 Ländern Importverbote für einzelne britische Rinder-Produkte bestanden.
Vereinigtes Königreich [Bearbeiten]
1985 und 1986 wurde BSE erstmals in Kent (England) bei zehn Rindern festgestellt. Möglicherweise war aber BSE unter dem Namen stoddy bereits in Yorkshire schon etwas länger bekannt. Die Fallzahlen stiegen daraufhin bis 1992 auf über 36.000 an, um dann wieder zu sinken. Seit dem 1. August 1996 galt auf Großbritannien ein völliges Verbot der Tiermehlfütterung bei allen Tierarten. Trotzdem traten auch lange nach 1996 immer wieder BSE-Fälle bei Rindern auf, die nach dem Fütterungsverbot geboren wurden. Mit Stand vom 5. Juli 2006 sind bisher 134 sogenannte "BAB"-BSE-Kühe (Born After Ban) amtlich festgestellt worden.
Bis zum 30. Mai 1990 wurden in 17 Ländern Importverbote für einzelne britische Rinder-Produkte ausgesprochen. Frankreich erließ am 30. Mai 1990 ein vollständiges Verbot.
In Österreich ist im November 2001, rund ein Jahr nach der flächendeckenden Einführung der BSE-Schnelltests, der erste Fall aufgetreten. Es handelte sich um ein aus Tschechien in das Waldviertel (Niederösterreich) importiertes Tier. Ein zweiter Fall trat im Juni 2005 im Vorarlberger Kleinwalsertal auf. Das Rind ist allerdings schon 1994 geboren. Den dritten Fall, so wurde am 28. Oktober 2005 bekannt, gab es in einem Schlachthof in Salzburg. Am 13. Mai 2006 wurde in einem Schlachthof im Mühlviertel in Oberösterreich der vierte Fall bekannt. Es handelte sich dabei um eine 6 Jahre alte Kuh aus einem Bergbauernhof. Am 7. Juni 2006 wurde BSE bei einer 16 Jahre alten Kuh in Osttirol festgestellt. Der bislang letzte BSE-Fall wurde am 5. November 2006 in Graz bekannt.
1990 wurde der erste offizielle Fall in der Schweiz bestätigt. 1995 wurde der vorläufige Höhepunkt mit 68 Fällen erreicht und 1999 nochmal ein Höhepunkt mit 50 Fällen. Durch einen schon früh konsequent durchgeführten Massnahmenkatalog wurde die Seuche eingedämmt. Der letzte Fall war 2006 aufgetreten. [5]
In den USA wurde der erste Fall Ende 2003 festgestellt; dabei handelte es sich wahrscheinlich um ein etwa zwei Jahre zuvor aus Kanada importiertes Tier.
Eindämmung der Ausbreitung [Bearbeiten]
Alle bei Tieren auftretenden spongiforme Enzephalopathien sind in Deutschland anzeigepflichtig. Jeder Verdacht ist sofort dem zuständigen Veterinäramt zu melden. Ist auch nur ein Tier einer Herde infiziert, so wird versucht, eine Übertragung auf andere Herden zu vermeiden. Dies geschieht vor allem durch Eliminierung einer Herde, also durch Keulung. Es sei hierbei angemerkt, dass bestimmte Rinder evtl. auch eine erbliche Veranlagung dazu haben, BSE zu entwickeln (die Krankheit trat beispielsweise gehäuft bei Tieren der Holstein-Friesian-Rinderrasse auf, dies kann jedoch auch durch die intensivere Fütterung mit Zusatzproteinen (z. B. Tiermehl) dieser Hochleistungstiere verursacht worden sein). Schlachtet man Herden, in denen ein BSE-Fall aufgetreten ist, so löscht man möglicherweise auch die genetische Disposition für BSE bei Rindern aus. Allerdings hat sich bei den meisten Eliminierungen von Herden herausgestellt, dass nur das Tier, bei dem zuerst BSE erkannt worden war, befallen war. So versucht man heute, durch alleinige Tötung der Nachkommen des befallenen Tieres und der Tiere gleichen Alters, unsinnige Tötungen von Tieren zu verhindern. Insbesondere in der Schweiz wird diese sogenannte Kohortenkeulung seit Mitte 1999 durchgeführt.
Da das Auftreten der Krankheit auf infektiöses Kraftfutter zurückgeführt wird, gab und gibt es in betroffenen Nationen Sicherheitsvorschriften zur Herstellung von diesem Tiermehl. So wurde in England 1988 verboten, verendete Rinder erneut zu Rinder-Futter zu verarbeiten. Diese Maßnahme bewirkte dort sehr wahrscheinlich den Rückgang der Epidemie ab 1993.
Weiter steht das Insektenvernichtungsmittel Phosmet im Verdacht, BSE-Infektionen zu begünstigen oder die Inkubationszeit zu verkürzen. Von 1982 bis 1992 mussten in England sämtliche Rinder damit hochdosiert behandelt werden, um die Dasselfliegen-Plage zu bekämpfen. Obgleich umstritten, wird Phosmet auch heute noch eingesetzt.
Aufgrund einer EU-Vorschrift müssen seit dem Jahre 2001 von älteren Tieren Gewebe mit hoher Erregerkonzentration (Hirn, Rückenmark, Milz) bereits bei der Schlachtung entfernt und entsorgt werden. So soll das Risiko einer Übertragung auf Menschen minimiert werden. Auch die Verarbeitung von Rinderdärmen zur Wurstherstellung ist in Deutschland und Frankreich verboten. In Südamerika ist die Krankheit bisher noch nicht nachgewiesen worden. Wenn Rinderdärme in Deutschland zur Produktion von Wurst Verwendung finden, so sind dies immer aus Südamerika importierte Därme.
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